Neue Reise, neues Glück, neuer Blog!

Juli 2015

Wie die Zeit vergeht! Gestern noch in Russland, heute schon in den USA. Meine Zeit als Lektorin der Robert Bosch Stiftung in Jakutsk ist leider schon vorbei. Mittlerweile bin ich schon fleißig am reisen. Zuerst Kamtschatka, jetzt Alaska, dann weiter an die Westküste, um von dort an meine Südostasien-Reise zu beginnen. Es folgen also noch ein paar spannende und aufregende Monate. Wen es interessiert, würde ich gerne weiterhin auf dem Laufenden halten. Allerdings nicht mehr länger auf meinem Sibirien-Blog. Fortan könnt ihr meine Bilder und Erzählungen auf der folgenden Seite lesen:

http://sabrinastraveljournal.com/

Die ersten Artikel mit unendlich vielen Bildern sind bereits online. Also viel Spaß beim Lesen und Stöbern 🙂

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Ysyach – Sacha feiert den Sommer

Juni 2015

Am längsten Tag des Jahres begrüßen die Jakuten das neue Jahr auf dem Fest „Ysyach“. Am vorletzten Juni-Wochenende wurde Ysyach für die ganze Republik in Tschuraptscha (Чурапча) und am letzten Wochenende dann in Jakutsk gefeiert. Tausende Jakuten reisen für das zwei, fast drei Tage andauernde Fest an und finden sich auf einer festlich geschmückten Wiese außerhalb der Stadt, der so genannten Alaß, zusammen. Das Fest beginnt mit einer abwechslungsreichen Eröffnungszeremonie, auf welcher das jakutische Epos Oloncho mit traditioneller Musik und Tanz von Groß und Klein dargestellt wird. Immer mit dabei ist das Pferd als heiliges Tier der Jakuten. Das Pferd ermöglicht das Leben unter schwersten Lebensbedingungen. Sein Fleisch und seine Milch gibt ihnen Kraft und Energie, sein Haar dient u.a. als Talisman und Schutz vor bösen Geistern. Die vergorene, leicht alkoholische Pferdemilch Kymys reinigt den Magen und ermuntert das Gemüt. Außerdem dient sie dazu das heilige Feuer während der Eröffnungszeremonie zu bewirten und damit um Wohlstand für Sacha zu bitten. Dieses und viele weitere Rituale werden vom Oloncho-Sänger durchgeführt, der mit seinem Kehlkopfgesang das Fest eröffnet und die genaue Anleitung zum Festakt gibt.

Nach der Eröffnung folgen Reden, u.a. vom Präsidenten der Republik Sacha. In diesem Jahr fand Ysyach für die Republik in dessen Heimatstadt statt und war aus diesem Grund für ihn von noch größerer Bedeutung.

In den darauffolgenden 48 Stunden gibt es ein volles und abwechslungsreiches Programm: Schönheitswettbewerb, Bogenschießen, Pferderennen, Mass-Wrestling, Maultrommelkonzerte und -wettbewerbe, Kehlkopfgesang und vieles mehr. Parallel dazu werden jakutische Speisen und Getränke an jeder Ecke zubereitet und den Gästen serviert: Schaschlik, Pferde- und Fohlenfleisch, Kymys, Kwas. All überall finden sich Gruppen, die den Ohuochaj-Rundtanz stundenlang tanzen und sich dabei regelrecht in Trance versetzen. Begleitet wird dieser Tanz durch Gesang über die Natur, den Sommer und den Winter. Die Tänzer selbst wiederholen das Gesungene.

Die Atmosphäre von Ysyach ist eine ganz besondere, gar einzigartige. Das farbenfrohe Ambiente stellt die jakutische Kultur von all seinen Seiten zur Schau, sodass der Betrachter aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommt und sich schon damit verweilen kann das Fest und seine Besucher zu beobachten und die vielen Eindrücke auf sich wirken zu lassen. Zelte und traditionelle Holzhütten werden mit bunten Bändern geschmückt, um vor bösen Geistern zu schützen. Das farbenfrohe Fest wirkt bunt und warm und lädt jedermann zum mitfeiern ein. So kommen tausende Jakuten zusammen um gemeinsam ihre Tradition zu würdigen. Um Teil dieses Spektakels zu sein und sich einen Eindruck von einem solch traditionsreichen Fest machen zu können, sind selbst interessierte Touristen von überall aus der Welt für Ysyach in Jakutsk angereist. Über ein solches Interesse freuen sich die Jakuten natürlich sehr und geben gerne detaillierte Auskunft über ihr wichtigstes Fest im Jahr. So wurden selbst die internationalen Studenten und Lehrer von der Nordöstlichen Föderalen Universität Jakutsk dazu eingeladen gemeinsam auf Ysyach zu gehen und das Sommerfest zu feiern. Für die Gäste wurden extra Tänzer und Sänger eingeladen und damit für eine einmalige Unterhaltung im Sommerhaus der Universität gesorgt. Keine selbstverständliche Geste, aber das beste Beispiel für die Offenheit und das Bemühen der Universität um das Wohl ihrer internationalen Gäste.

Der Höhepunkt des Festes erfolgt schließlich in der Nacht von Samstag auf Sonntag, wenn in einer weiteren Zeremonie die Sonne begrüßt und mit ausgestreckten Händen die Jakuten ihre Energie für den baldigen harten Winter aufnehmen.

Impressionen von Ysyach in Tschuraptscha:

Impressionen von Ysyach in Jakutsk:

Winter im Sommer in Buluus

Gar nicht weit von Jakutsk entfernt liegt Buluus, ein Ort, an dem immer Eis liegt – auch noch bei 39 Grad Außentemperatur. In einem windigen Tal liegt das ganze Jahr über Schnee und Eis.  Ob Sonne oder Regen, der Schnee bleibt liegen. 365 Tage lang.

Sacha tanzt!

Traditioneller jakutischer Tanz mit den dazu gehörenden Kleidern und dem unverkennbaren Schmuck ist wahrlich eine Augenweide! Dazu der Wohlklang aus in Trance versetzenden musikalischen Klängen der Maultrommel…. Alles im Einklang mit der Natur: Die Sonne anbeten und mit Birkenästen tanzen. Einfach nur unvergleichliche Bräuche und Traditionen!

Erstes vegetarisches Festival in Jakutsk

13.06.2015

Der Winter ist extrem lange und sehr hart. Die eisige Kälte erhöht den Energiebedarf des Körpers immens. Die Einwohner der Republik Sacha sind der festen Überzeugung, dass man den Winter nicht ohne tierisches Fleisch überstehen kann. Kein Wunder also ist die jakutische Küche sehr fleisch- und fischlastig. Vegetarische Gerichte lassen sich in Restaurants nur schwer finden – vegane schon gar nicht.

Wenn ich mit Einheimischen zusammen war und spätestens beim gemeinsamen Essen gebeichtet habe, dass ich weder Fleisch noch Fisch esse, blickten mir stets überraschte, teils irritierte Gesichter entgegen. Meist folgte eine Flut an Fragen: Warum? Weshalb? Wieso? Und seit wann? Deine Familie etwa auch? Die vielen Fragen waren aber nie ein Zeichen für Fassungslosigkeit oder Unverständnis. Im Gegenteil. Ich stieß auf sehr viel Neugierde und Interesse und manchmal sogar auf Verständnis. Aber die Möglichkeiten sich in Jakutsk auf Dauer vegetarisch zu ernähren, sind eigentlich nicht gegeben. Auch ich hätte ohne die Fresspakete aus Deutschland den Winter nur schwer überstanden.

Umso beeindruckter, ja fast schon sprachlos war ich als ich auf ein vegetarisches Festival aufmerksam gemacht wurde. Hier in Jakutsk! Ein rein vegetarisches Festival! Es gab verschiedene vegetarische Kost zu probieren, verrückte Honigvarianten zu verkosten, Traumfänger zum selber machen (Ich habe auch einen gemacht!), eine Runde Yoga für jedermann und vieles mehr. Am Ende sogar noch meinen ersten Sonnenbrand in Jakutien 😉

 

Tibetischer Buddhismus im Fernen Osten Russlands

Im atheistischen, vom Schamanismus geprägten Jakutsk gibt es seit diesem Jahr eine buddhistische Klosteruniversität, ein so genanntes Dazan. Ein solches Kloster beherbergt eine Lehrstätte mit in der Regel zwei Fakultäten für die Lehre von buddhistischer Philosophie und tibetischer Medizin. Ein Dazan unterscheidet sich von anderen buddhistischen Glaubensstätten in sofern als dass er in der tibetischen Gelug-Tradition in der Mongolei, Tibet und Sibirien steht. Bisher konnte man Dazane in der Russischen Föderation lediglich in Transbaikalien und Burjatien vorfinden, neuerdings aber auch in der nördlichen Republik Sacha. Bei Errichtung einer tibetischen Glaubensstätte ist ein persönlicher Besuch des Dalai Lamas nicht sonderlich abwegig – es sei denn ein solcher Besuch stellt eine Bedrohung für die politischen Beziehungen zwischen Russland und China dar.

Nordische Naturnoblesse

62° 2′ 0″ N, 129° 44′ 0″ E

06.06.2015 – Es wird nicht mehr dunkel. Die Weißen Nächte umhüllen den hohen Norden in nicht mehr enden wollende Tage mit ewigen Scheinsonnenuntergängen und kurzen Stunden der Dämmerung – erst Abendrot, dann Morgenblau. Ein fließender Übergang zwischen 01:00 und 02:00 Uhr in der zum Tag gewordenen Nacht.

Die innere Uhr ist vollkommen verstellt. Man fühlt sich so wach wie noch nie und findet nur schwer in den Schlaf. Es scheint sich kein Tiefschlaf mehr einzustellen. Eher ein halb wacher, halb schläfriger Schlummerzustand.  Und selbst das auch nur für wenige Stunden. Der Körper findet beim Fehlen der Nacht einen scheinbar ganz eigenen, neuen natürlichen Rhythmus. Über den ganzen Tag und die ganze Nacht verteilt immer mal wieder für zwei Stunden in diesen wirren Halbschlaf einkehren, um dann zwischen luziden Träumen und Realität mit erneuter Energie weiter durch den Tag und die Nacht zu gehen. Ein wahrlich einzigartiger Zustand des Seins….

Und die Natur scheint ebenso verwirrt zu sein. Mal scheint die Welt über Jakutsk unterzugehen, mal bildet sich nach einem Regenschauer eine Lichtsäule über dem Horizont und ein anderes Mal scheint der Himmel zu brennen…

09. Mai 2015 – 70 Jahre Sieg

День Победы

Pünktlich zum großen 70-jährigen Jubiläum wurde die Stadt aufgefrischt und an manchen Stellen, so zum Beispiel vor unserem Wohnheim, noch weitere Denkmäler für den Großen Vaterländischen Krieg errichtet.

Obwohl Jakutien sonst nicht wirklich Russland zu sein scheint, wurden in der ganzen Stadt große Banner verteilt, die auf die Jubiläumsfeier aufmerksam machten. Übersehen oder gar ignorieren konnte man sie nicht. Das Ereignis war publik. Die Erwartungen waren groß.

Während in Deutschland der 08. Mai als Gedenktag an die Befreiung und an das Ende des Zweiten Weltkrieges „gefeiert“ wird, gilt der 09. Mai* in Russland und anderen postsowjetischen Staaten als Tag des Sieges über das nationalsozialistische Deutschland. Für Russland -als ein wahrlich patriotisch geprägtes Land- der wichtigste Feiertag des Landes. Entsprechend müssen Jubiläen gefeiert werden. In größeren Städten wie Moskau oder Wladiwostok gibt es große Militärparaden. Panzer fahren durch die Stadt, die Luftflotte zeigt Kunststücke, die Marine taucht auf. Ein großes Event für Groß und Klein. Es wird an die Gefallenen des Krieges gedacht, indem Bilder von ihnen an den Feierlichkeiten von den Hinterbliebenen mitgetragen werden. Während des Krieges hatte Russland die größte Anzahl an Opfern. So ist es kaum überraschend, dass jeder Russe mindestens einen Kriegsgefallenen in der Familie hat. Veteranen zeigen ihre Auszeichnungen und Medaillen. Sankt-Georgs-Bänder als Symbol des russischen Nationalbewusstseins (schwarz-orange gestreift) werden verteilt. Kinder werden als Minisoldaten mit Plastikmaschinengewehren ausgestattet. Reden über Reden werden gehalten. Patriotische Lieder schallen durch die gesamte Stadt. Eine wirklich surreale Atmosphäre. Zum Schluss -wie soll es auch anders sein- ein Feuerwerk.

Auch wenn sich die Feierlichkeiten in Jakutsk im Vergleich zu manch anderen Städten wahrlich im Rahmen hielten, erschien mir diese Art von Feierlichkeit wahrlich suspekt… Der Zusammenhalt des Landes, nein, seiner Bevölkerung scheint meines Erachtens vor allem von der patriotischen Erinnerungskultur an die Rolle der UdSSR während des Zweiten Weltkrieges abzuhängen. Ist Russland denn nicht viel mehr als das?

 * Ein Tag später aufgrund der Zeitverschiebung (MEZ) zum Zeitpunkt der Kapitulation gegenüber der Roten Armee und des offiziellen Beginns des Waffenstillstandes.

„Faces of Russian Patriotism“ – ein Dokumentarfilm über eine patriotisch geprägte Erinnerungskultur in Russland. Ein Projekt von meinen Lektorenkollegen aus Tula und Wolgograd. Pünktlich fertiggestellt zur 70-Jahr-Feier. Sehr sehenswert!

https://www.youtube.com/watch?v=RtfF7yHLX9o

Sacha, der Sommer ist da!

Am 22.05.2015 war es soweit. Der Sommer hat offiziell in der Republik Sacha begonnen. Und obwohl davor und danach noch nachts Schnee gefallen ist, erwacht die Natur allmählich wieder zum Leben. Ende Mai. Das Gras erhält sein Grün zurück, Bäume und Blumen beginnen zu blühen. Allen voran der Frühlingsblüher „под снегом“ – „Unter Schneechen“. Der Name erklärt sich von selbst. Auch wenn noch Schnee liegt, beginnt dieses schöne Blümchen schon zu blühen. In Jakutsk ist der Frühjahrsblüher gelb, im hohen Norden lila und im Osten weiß.

Und um sich auch ein Bild von dem zum Leben erwachenden Jakutsk von oben zu machen, ging es gemeinsam mit ein paar der Studierenden des 3. Studienjahres auf den „Hill of Love“.

Und weil das Wetter nun immer besser wird, kann man durchaus auch einmal einen Tag im Freien verbringen. So zum Beispiel in einem der nahe gelegenen Dörfer – Hamagatta (Хамагатта). Einfach mal die Sonne und die unendliche Stille genießen. Spazieren gehen. Schamanen-Häuser begutachten. Schaschliki machen. Spaß haben. Da werden sogar ein paar Energyzer-Spiele („W(arm)ups“) ausgepackt, die man für seine Auslandsaufenthalte und Lehrtätigkeiten irgendwann einmal gelernt hat – anstelle von Schere, Stein, Papier wird Ritter, Prinzessin, Drache mit Ganzkörpereinsatz gespielt; Schaukelstuhl („Rocking Chair“) oder Flüsterpost deluxe auf Jakutisch, Russisch, Französisch, Japanisch und Deutsch.