28.09.2014
Schon wieder fehlen mir die Worte um zu beschreiben, was für ein erstes tolles, kleines Abenteuer hinter mir liegt. Und ich unterrichte Deutsch als Fremdsprache? Ich mag es selbst kaum glauben.
Aber zurück zum eigentlichen Thema: Am Sonntag wurde der erste Ausflug in das Umland Sibiriens getätigt. Es ging an die beeindruckenden Lena-Pfähle (in English: Lena Pillars, по-русски: Ле́нские столбы́).
Kurze Hintergrundinformationen zum Fluss Lena und den Lena-Pfählen:
Mit einer Länge von 4.400 Kilometern gehört Lena zu den längsten Flüssen der Erde. Sie entspringt einer Seenplatte in unmittelbarer Nähe des Baikalsees im Süden Sibiriens und mündet im Laptewsee, einem Randmeer des Arktischen Ozeans, fließt also „bergauf“ in den hohen Norden. Die Lena ist an manchen Stellen mehrere Kilometer breit. Besonders verblüffend ist die Tatsache, dass über die Lena keine einzige Brücke führt. Der Fluss kann lediglich per Schiff und/oder Boot überquert werden. (Es ist zwar eine ca. 3 km lange Brücke geplant, um Jakutsk an die Eisenbahnstrecke nach Tommot anzuschließen, aber wer weiß, wann oder ob dieses Vorhaben überhaupt in näherer Zukunft in Angriff genommen wird.) Verblüffend ist aber auch, dass es in Sibirien im Winter so kalt wird, dass der nördliche Teil der Lena über mehrere Monate hinweg vollständig gefriert und mit dem Auto oder gar mit Lastkraftwagen problemlos befahren und als „Eis-Autobahn“ genutzt werden kann. Eine besondere Attraktion sind die so genannten Lena-Pfähle, wundersame Felsformationen, die sich am Rande des Flusses abzeichnen. Die zahllosen steilen Felsen erstrecken sich über 60 Kilometer im Süden Jakutsks und erreichen eine Höhe zwischen 150 und 300 Metern. Seit 2012 zählt die natürliche Steinformation zum UNESCO-Weltkulturerbe –unser Ausflugsziel.
Am frühen Morgen ging es für unsere bunt gemischte Gruppe los. Da wurden wir von unserem Reiseführer-Dream-Team mit einem Kleinbus eingesammelt. Begrüßt wurden wir mit dem ersten Schnee in Jakutsk. Mit einem Kater vom Vorabend im Gepäck ging die abenteuerliche Fahrt los. Immer wenn man dachte, die Straßen können nicht noch schlechter, nicht noch holpriger, nicht noch unbezwingbarer werden, wurde man eines besseren belehrt. Wenn einem nicht sowieso schon schlecht war vom trinkreichen Vorabend, dann drehte sich spätestens während der Fahrt der Magen um. So war es auch wenig verwunderlich, dass wir bei jedem Halt die Plätze tauschten, da besonders die Bauchregion der hinteren Sitzreihe schwer mit den Gegebenheiten der Straße zu kämpfen hatte. Es war ein bisschen wie die Reise nach Jerusalem, nur eben im Minibus.
Doch die zahlreichen kurzen Stopps an kleinen Attraktionen auf der Strecke zur Lena schufen für etwas Abhilfe. Denn die Luft in der Umgebung von Jakutsk ist frisch und rein und tut dem Gemüt einfach nur gut. So wurde u.a. an einem Schrein Halt gemacht, der von vielen Wunschbändern verziert war. Die Legende besagt, dass der Stein an einen Jakuten erinnert, der zu großem Vermögen gelangte und seine große Liebe fand, sein Glück jedoch nicht erfüllt werden konnte, da er sich sein Leben lang Kinder wünschte, aber nie welche bekam. Wer sich also Kinder wünscht, soll den Stein berühren und ein kleines Dankeschön zurücklassen.
Der nächste Halt erfolgte an einem kleinen Dorf am Rande der Lena. Direkt daneben gibt es in den Frühlings- und Sommermonaten einen großen Wasserfall, der in dem Fluss mündet. Als wir zur entsprechenden Stelle gelaufen sind, war von einem Wasserfall jedoch nichts mehr zu sehen. Dafür hatte man einen schönen Ausblick auf die Felsformationen, die das fließende Wasser über die Zeit hinweg hinterlassen hat.
Danach folgte der schwierigste Teil der Strecke. Von Straßen lässt sich schon gar nicht mehr sprechen. Feldwege mit Spuren von Geländewagen, die sich ihren eigenen Weg gesucht haben, trifft es schon eher. So auch unser wagemutiger Fahrer, der matschigen Schlammwegen und eisigen Rutschstreifen trotzte und mit seinem Minibus (man betone: kein Vierradantrieb!) querbeet zwischen Bäumen und Hügeln einen Alternativweg fuhr –und sich a) trotzdem nicht verfahren hat und b) mit all seiner Coolness nicht ein einziges Mal seine Mimik verzogen hat. Man bemerke: Die anderen Mitfahrer haben Blut und Wasser geschwitzt und konnten ihren Augen kaum glauben. Der Fairness halber muss man aber auch dazu sagen, dass man in mehreren Momenten befürchten musste, dass das Auto umkippt, das gute Gefährt stecken bleibt oder der Reifen platzt. Meine größte Sorge war die letzte Option. Denn einen Ersatzreifen gab es nicht.
Wie dem auch sei. Wir sind heil an unserem Ziel angekommen. Weiter ging es mit einem kleinen Motorboot, das uns quer über die Lena an eine Felsformation brachte, die noch heute mit Bemalungen aus ältester Zeit (Petroglyphen-Felszeichnungen) geschmückt ist. Die so genannten Schischkino-Felsen befinden sich ca. 3 km von dem Dorf Schischkino (in der Nähe der Stadt Katschug) entfernt. Ihre Ornamente sind bemalt mit Menschen- und Tierdarstellungen aus anno dazumal. Die berühmteste Zeichnung ist der „Krieger mit dem Banner“, der seit 1992 das Wappenemblem der Republik Sacha (Jakutien) schmückt.
Von dort aus ging es mit dem Motorboot weiter zu den Lena-Pfählen, an deren Fuß kleine Holz-Jurten die Einnahme eines windgeschützten Imbiss erlaubten und der vom kalten Bootswind verfrorene Körper durch ein paar Hochprozentige wieder etwas an Wärme gewann. Denn was folgte war eine Wanderung hoch auf die Felsen, die (abgesehen von der Bärengefahr!) am Ende einen ganz wunderbaren Ausblick über den großen Fluss eröffnete und den anstrengenden Aufstieg damit wieder gut machen konnte. Von dort aus sah man einen kleinen abgeschiedenen Fels inmitten zahlreicher Nadelbäume. Auch hierzu gibt es eine Legende, die uns unser netter Reiseführer natürlich nicht vorenthielt: Die Tochter eines Schamanen hat sich in einen Jungen aus dem Nachbardorf verliebt. Da der Vater des Mädchens mit der Liebe zwischen den beiden nicht einverstanden war, haben sich das Mädchen und der Junge aus dem Nachbardorf an einem geheimen Ort zu einem heimlichen Treffen verabredet. Doch der Schamane fand heraus, wo die beiden sich treffen wollten und beschwor einen schweren Sturm, der den Jungen mit sich riss und tötete. Das Mädchen war darüber so traurig, dass ihre Tränen den Fluss füllten und sie sich zu einem einsamen Stein verwandelte. Und wenn eine Frau noch immer nicht ihre große Liebe gefunden hat, so soll sie an diesen Stein wandern und ihn berühren. Dann würde sie endlich ihre Liebe treffen! (Leider wollte keiner mit mir hinwandern… hatte sich wahrscheinlich erübrigt, nachdem sich alle an dem anderen Schrein schon Kinder herbei wünschten 😉 ).
Auch wenn der Ausflug bis Mitternacht dauerte, so hat sich doch jedes Minütchen für diese wunderbare Abwechslung in die Natur gelohnt! Vor allem um die beeindruckende Landschaft noch einmal „nackt“ zu sehen bevor sie unter einer meterdicken Schneehülle verschwindet und erst im späten Frühjahr wieder ihr Gesicht zeigen wird… worauf ich mich aber auch schon sehr freue! Jetzt darf der Winter kommen!
- Wild lebende Pferde…
- …einfach nur schön!
- Wer sich Kinder wünscht…
- …sollte diesen Stein berühren.
- Wunschbänder-Alarm
- Kühe überall… da erschrickt man schonmal…
- Hier fließt eigentlich ein Wasserfall entlang…
- …aber nur in den warmen Monaten
- Steinzeit-Bilder
- Für die Kletterfreudigen und Wagemutigen…
- Unser Mini-Boot, dass uns von Punkt A über B nach C bringt…
- Auch an diesem Schrein…
- …sollte man eine kleine Gabe lassen.
- Alte jakutische Schriftzeichen (nachgestellt)
- Das erste Amphib nachgestellt in Großformat
- Vorsicht! Hier leben drei Bären!
- Goldene Baumnadeln verschönern jeden tristen Wald
- Noch mehr Wunschbänder
- Ärgerlich, dass ich keine in der Reisetasche hatte
- Einfach nur wunderschön!
- Wer wohl dieses Kreuz angebracht hat?
- Rechts in der Ecke befindet sich das zu Fels gewordene Mädchen
- Da lass ich auch mal ausnahmsweise ein Bild von mir knipsen
- Hier drin konnten wir lecker futtern…
- …und trinken 🙂
- Der Abstieg war schwieriger als der Aufstieg…
- Jesus is watching you!
- Eine letzte Wunsch-Station…