06.09.2014
Puh! Endlich angekommen!
Wer hätte es gedacht? Nach all den Strapazen und Turbulenzen bin ich doch tatsächlich in Jakutsk angekommen.
Das ist gar nicht so selbstverständlich, nachdem sich schon allein die Buchung meines Fluges als erstes „Projekt“ entpuppt hatte. Zunächst gab es keine sonderlich große Auswahl an Flügen von Frankfurt nach Jakutsk (welch Überraschung). Als ich dann endlich einen zeitlich passenden, aber vor allem bezahlbaren Flug gefunden habe, konnte ich diesen nur leider nicht online buchen. Die Airline-Seite wollte mein Geld einfach nicht haben und hat immer wieder während des Bezahlvorgangs abgebrochen. Nachdem ich schon gefühlte acht Plätze gebucht hatte und ich schon eine gigantische Rechnung vor mir sah, trat schließlich doch die Vernunft ein und suchte nach anderen Buchungsmöglichkeiten. Dumm nur, dass der Flug im Internet sonst nirgends mehr existierte. Spooky! Schließlich hab ich jedoch Kontaktdaten der russischen Airline in Deutschland gefunden und konnte dort anrufen. Ich erklärte das Problem. Eine Lösung gab es nicht. Also musste ich wohl oder übel meine Reisedaten telefonisch durchgeben und auf klassisch altmodische Art und Weise meinen Flug buchen. Nachdem die nette Dame alles fertig gemacht und mir nur noch die Bestätigung per Email schicken wollte, erwähnte sie nochmal eben den Preis des Tickets. Überraschenderweise war dieses um 200 € günstiger geworden. Scheinbar sind Tickets bei telefonischer Buchung deutlich günstiger. Von wegen. In der Email hab ich schnell den Fehler entdeckt. Die gute Frau hat mir keinen Flug nach Jakutsk, sondern nach Irkutsk gebucht. Kein Wunder. Nach Irkutsk, der Stadt am Baikalsee, dem größten Süßwassersee der Erde, hat der deutsche Tourist durchaus einen Grund hinzufliegen. Aber warum um alles in der Welt soll eine junge Deutsche freiwillig in die kälteste Stadt der Welt fliegen? Wie dem auch sei. Ich machte die nette Frau direkt auf die Fehlbuchung aufmerksam. Dumm nur, dass inzwischen alle anderen Flüge nach Jakutsk ausgebucht waren. Ärgerlich! Da komm ich sowieso schon eine Woche nach dem Beginn des akademischen Jahres und dann soll es nochmal später werden, weil es einfach keinen Platz mehr für mich im Flieger geben soll. Doch die Dame hat meine Verzweiflung zur Kenntnis genommen und mir versprochen sich nochmal bei mir zu melden, falls eine Reservierung erlischt. Lange Rede, kurzer Sinn: Einen Tag später hat sie mir den letzten Platz für meine große Reise nach Jakutsk buchen können. Puh!
Doch es wäre ja all zu langweilig, wenn meine weiteren Vorbereitungen reibungslos abgelaufen wären. Weiter ging es zum Beispiel damit, dass ich eigentlich all meine Arztuntersuchungen endlich abgeschlossen geglaubt habe, ich (nachdem ich meinen Umzug aus Berlin endlich hinter mir hatte) die naive Vorstellung hatte, nun endlich etwas herunterkommen und meine letzten Tage in der Heimat genießen zu können. Von wegen! Als ich die Bescheinigung meines Arztes für das „Go!“ nach Jakutsk abholen wollte, teilte dieser mir netterweise mit, dass er mir das Go doch nicht geben kann und ich entweder noch im Krankenhaus eine weitere Untersuchung durchführen lasse oder ich auf eigenes Risiko gehe. Tja, wäre das mal keine Untersuchung unter leichter Narkose und mit Terminvergabe von mindestens sechs Wochen im Voraus. Zum Glück hatte die entsprechende Arzthelferin die Dringlichkeit der Lage erkannt und mir noch einen Termin einen Tag vor Abflug gegeben. Also nochmal schnell ins Krankenhaus, unter Narkose versetzen lassen, leicht neben der Spur wieder ein Punkt von der To do Liste abhaken können und weiter geht’s.
Einen Tag vor der Abreise gab es nun wirklich nichts mehr zu erledigen. Die beiden Rucksäcke waren inzwischen gepackt, den meisten Freunden wurde bereits Adieu! gewünscht, die Tickets waren ausgedruckt. Nun hieß es endlich mal chillen und die letzten Stunden mit der Family genießen. Es ging früh ins Bett, denn es musste auch früh wieder raus. Um sechs Uhr klingelte der Wecker. Ich steh auf, greife nach meiner Brille und halte einen Bügel in der Hand. Das kann doch nicht wahr sein! Ausgerechnet jetzt! Am Montag war ich noch beim Optiker und habe meine Brille kontrollieren lassen. Und jetzt, wenige Stunden vor Abflug, halte ich einen abgebrochenen Bügel in der Hand. Das muss einfach ein schlechter Scherz sein! Überraschenderweise trat selbst in diesem Moment kein Moment der Panik auf. Im Gegenteil. Irgendwie passte das ins Bild zu all meinen bisherigen Vorbereitungen und Erledigungen, Hindernissen und Hürden. Das Problem war bloß, dass mein Optiker erst um 9 Uhr öffnen würde. Um die Uhrzeit wäre ich jedoch schon längst auf dem Weg zum Flughafen. Aber man kann’s ja mal probieren und `ne Stunde vor Öffnungszeit anrufen –in der Hoffnung, dass er vielleicht doch schon offen hat. Und tatsächlich! Jemand nimmt ab! SOS! Ich darf vorbeikommen! Die Rettung! Eigentlich. Um meinen Bügel wieder zu befestigen, müssten sie meine Brille einschicken. Geht nicht. Plan B: Eine ähnliche Brille suchen, mir einen Bügel davon ersatzweise dran schrauben. Nun hab ich an meiner eigentlich braunen Brille einen braunen und jetzt noch einen schwarzen Bügel. Trendsetter? Vielleicht. Zumindest eine gelungene Übergangslösung bis ich an Weihnachten wiederkomme, der passende Bügel für meine Brille bestellt wurde und wieder dran gemacht werden kann.
Weiter geht’s. Fahrt Richtung Flughafen Frankfurt am Main. Der Radio ist übersät mit Hinweisen, dass die Lufthansa streiken wird. Schon seit Tagen wurden Streiks der Piloten angekündigt. Ausgerechnet mein Flug nach Moskau wird durch die Lufthansa durchgeführt. Aber Glück im Unglück: Es wird erst ab 17.00 Uhr gestreikt. Bis dahin werde ich schon in Moskau sein. Puh!
Ab in den Flieger – Part I: Frankfurt am Main. 22°C. Die Sonne scheint. Ich sitze weit hinten im Flieger am Fenster. Der Flieger ist nicht ausgebucht, aber jede Menge Russen ballen sich im hinteren Teil des Fliegers. Die Herren haben Durst. Die Herren wissen, dass man bei Lufthansa so viel kostenlos süffeln kann wie man möchte. Also wird das auch schamlos ausgenutzt. Ein Bier nach dem anderen wird geleert. Stimmung kommt auf. Eine lange Schlange vor der Toilette bildet sich. Keine 30 Minuten Flugzeit später: Das Bier ist alle. Warum nur kommt mir das so unglaublich bekannt vor? Ach ja, auf meinem Flug nach Georgien mit Lufthansa legten die georgischen Männer genau das gleiche Verhalten an den Tag. Aber auch ich behielt meine Reisegewohnheit von früher bei und erfreute mich über ein Weißweinchen. Das gönn ich mir!
So, die erste Zeitzone wurde überflogen. Ankunft in Moskau. 24°C. Die Sonne scheint. Nächstes Problem: Für mein heiliges Gepäck mit all meinem Hab und Gut wird in Moskau kein Transfer stattfinden. Keiner weiß warum. Aber ich muss dort nochmal komplett aus- und wieder neu einchecken. Da können drei Stunden bei einem solch großen Flughafen durchaus knapp werden. Also schnell, schnell aus dem Flieger raus und schnell, schnell wieder einchecken. Hier bestätigt sich schon meine größte Befürchtung: Ohne Russisch-Kenntnisse werd` ich einfach nicht weit kommen. Zwar sind alle Schilder am Flughafen auch auf Englisch ausgeschildert, aber die Kommunikation mit dem Personal erfolgt auf Russisch. Doch dank meiner grandiosen Ganzkörper-Sprachkenntnisse habe ich sowohl den Check-in als auch die Sicherheitskontrollen wohl überstanden.
Ab in den nächsten Flieger – Part II: Ein Flug über sechs Zeitzonen hinweg. Vom Tag über die Nacht in den nächsten Tag. Nun muss ich mich tatsächlich nur noch in den Flieger setzen und mein Nachtflug in die ferne Zukunft kann beginnen. Doch auch hier sollte nicht alles reibungslos funktionieren. So habe ich mir extra einen Platz am Fenster ergattert, damit ich während des Flugs einen Blick über Russland habe und mir einen ersten Eindruck vom Land machen kann. Und was ist? Natürlich sitzt jemand auf meinem Platz und versucht mir auf Russisch beizubringen, warum. Ich hab natürlich keine Ahnung und frage verzweifelt die Stewardess, ob sie übersetzen kann. Nach einer viertel Stunde im Flugzeuggang herumstehen und Weg blockieren, gebe ich auf und setze mich notgedrungen an den Gangplatz. Für einen kurzen Moment bin ich zutiefst genervt. Alternativplan: Dann schlafe ich einfach und Ruhe mich aus. Von wegen! Hinter mir, vor mir, schräg vor und hinter mir: Kinder. Jede Menge Kinder im Flugzeug. Man hätte meinen können, dass ich mich inmitten eines Klassenausflugs nach Sibirien befunden hätte. Das kann ja heiter werden! Natürlich bollert das Kind hinter mir artig gegen meinen Sitzplatz (wie soll es auch anders sein). Neben mir ein Pärchen, das es doch tatsächlich geschafft hat sechseinhalb Flugstunden durchzuquasseln! Anscheinend befanden sich die beiden ebenfalls auf einem Familienausflug, denn sie unterhielten sich lautstark quer durch den Flieger mit anderen Reisenden. Zwischendurch wurden sie von ihren Mitreisenden besucht. Der ein oder andere hat sich dazu auch gerne über mich gebeugt und halb auf mich gelehnt während ich mich schlafend gestellt habe. Und noch einmal: Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe keine Sekunde lang schlafen können und war einfach nur komplett durch bei meiner Ankunft in Jakutsk.
Ankunft in Jakutsk. 5°C. Der Himmel ist bedeckt. Es ist trist. Der erste Eindruck passt zu meiner Vorstellung von der kältesten Stadt der Welt mit dem ewigen Winter. Ich ziehe meine Winterjacke an. Am Flughafen konnte ich zwar nicht von meinem Tandem abgeholt werden, da dieser leider kurzfristig verhindert war, dafür jedoch von seinen Studenten, die über alles Bescheid wussten. Die drei Lieben organisierten ein Taxi für die Fahrt in die Stadt, kauften mir eine SIM-Karte mit Internet, brachten mich zum Wohnheim, zeigten mir das Uni-Gebäude und die Cafeteria. Ich folgte und hörte aufmerksam zu. Doch die Zeitverschiebung und der akute Schlafmangel der vergangenen Tage beeinträchtigten mein Auffassungsvermögen enorm. Schließlich musste ich erstmal ein kleines Mittagsschläfchen abhalten, um wieder zu Kräften zu kommen. Da dieser Artikel direkt im Anschluss entstanden ist, endet dieser nun. (Jetzt ist wieder Zeit für weitere Erlebnisse und Eindrücke 😉
- Nochmal lecker schlemmen mit Lufthansa
- Über den Wolken
- Zwischenstopp in Moskau
- Legger Veggie Essen S7
- Ausblick aus meinem Zimmer in Jakutsk