Juni 2015
Am längsten Tag des Jahres begrüßen die Jakuten das neue Jahr auf dem Fest „Ysyach“. Am vorletzten Juni-Wochenende wurde Ysyach für die ganze Republik in Tschuraptscha (Чурапча) und am letzten Wochenende dann in Jakutsk gefeiert. Tausende Jakuten reisen für das zwei, fast drei Tage andauernde Fest an und finden sich auf einer festlich geschmückten Wiese außerhalb der Stadt, der so genannten Alaß, zusammen. Das Fest beginnt mit einer abwechslungsreichen Eröffnungszeremonie, auf welcher das jakutische Epos Oloncho mit traditioneller Musik und Tanz von Groß und Klein dargestellt wird. Immer mit dabei ist das Pferd als heiliges Tier der Jakuten. Das Pferd ermöglicht das Leben unter schwersten Lebensbedingungen. Sein Fleisch und seine Milch gibt ihnen Kraft und Energie, sein Haar dient u.a. als Talisman und Schutz vor bösen Geistern. Die vergorene, leicht alkoholische Pferdemilch Kymys reinigt den Magen und ermuntert das Gemüt. Außerdem dient sie dazu das heilige Feuer während der Eröffnungszeremonie zu bewirten und damit um Wohlstand für Sacha zu bitten. Dieses und viele weitere Rituale werden vom Oloncho-Sänger durchgeführt, der mit seinem Kehlkopfgesang das Fest eröffnet und die genaue Anleitung zum Festakt gibt.
Nach der Eröffnung folgen Reden, u.a. vom Präsidenten der Republik Sacha. In diesem Jahr fand Ysyach für die Republik in dessen Heimatstadt statt und war aus diesem Grund für ihn von noch größerer Bedeutung.
In den darauffolgenden 48 Stunden gibt es ein volles und abwechslungsreiches Programm: Schönheitswettbewerb, Bogenschießen, Pferderennen, Mass-Wrestling, Maultrommelkonzerte und -wettbewerbe, Kehlkopfgesang und vieles mehr. Parallel dazu werden jakutische Speisen und Getränke an jeder Ecke zubereitet und den Gästen serviert: Schaschlik, Pferde- und Fohlenfleisch, Kymys, Kwas. All überall finden sich Gruppen, die den Ohuochaj-Rundtanz stundenlang tanzen und sich dabei regelrecht in Trance versetzen. Begleitet wird dieser Tanz durch Gesang über die Natur, den Sommer und den Winter. Die Tänzer selbst wiederholen das Gesungene.
Die Atmosphäre von Ysyach ist eine ganz besondere, gar einzigartige. Das farbenfrohe Ambiente stellt die jakutische Kultur von all seinen Seiten zur Schau, sodass der Betrachter aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommt und sich schon damit verweilen kann das Fest und seine Besucher zu beobachten und die vielen Eindrücke auf sich wirken zu lassen. Zelte und traditionelle Holzhütten werden mit bunten Bändern geschmückt, um vor bösen Geistern zu schützen. Das farbenfrohe Fest wirkt bunt und warm und lädt jedermann zum mitfeiern ein. So kommen tausende Jakuten zusammen um gemeinsam ihre Tradition zu würdigen. Um Teil dieses Spektakels zu sein und sich einen Eindruck von einem solch traditionsreichen Fest machen zu können, sind selbst interessierte Touristen von überall aus der Welt für Ysyach in Jakutsk angereist. Über ein solches Interesse freuen sich die Jakuten natürlich sehr und geben gerne detaillierte Auskunft über ihr wichtigstes Fest im Jahr. So wurden selbst die internationalen Studenten und Lehrer von der Nordöstlichen Föderalen Universität Jakutsk dazu eingeladen gemeinsam auf Ysyach zu gehen und das Sommerfest zu feiern. Für die Gäste wurden extra Tänzer und Sänger eingeladen und damit für eine einmalige Unterhaltung im Sommerhaus der Universität gesorgt. Keine selbstverständliche Geste, aber das beste Beispiel für die Offenheit und das Bemühen der Universität um das Wohl ihrer internationalen Gäste.
Der Höhepunkt des Festes erfolgt schließlich in der Nacht von Samstag auf Sonntag, wenn in einer weiteren Zeremonie die Sonne begrüßt und mit ausgestreckten Händen die Jakuten ihre Energie für den baldigen harten Winter aufnehmen.
Impressionen von Ysyach in Tschuraptscha:
Impressionen von Ysyach in Jakutsk: