Vom Ankommen und ersten kleinen Abenteuern
08.04.2015 – 12.04.2015
Zum ersten Mal sollte es für mich nach Asien gehen. Reiseziel: China. Reisegrund: Bosch-Frühjahrsakademie. Mit dem Visum in der Tasche ging es am späten Abend an den Flughafen, um in den Flieger nach Peking einzusteigen. Gar nicht so einfach, wenn man von den russischen Beamten für eine Spionin gehalten und fast eine Stunde lang zum Zweck der China-Reise und der dortigen genauen Reiseroute ausgefragt wird. Komische Angelegenheit. Einchecken und boarden durfte ich am Ende dennoch.
In fünf Stunden in Peking gelandet. Der Einstieg in eine überdimensionale Flughalle. Kein Vergleich zu allen Flughäfen, die ich bisher gesehen habe. Nicht einmal der John F. Kennedy in New York erschien mir so mächtig. Das kann allerdings auch daran liegen, dass ich mit meinem beschaulichen Leben in dem kleinen Jakutsk solche Dimensionen einfach nicht mehr gewohnt bin und es mir recht schnell die Sprache verschlägt. Als ich jedoch in einen Zug einsteigen musste, um lediglich an das Gepäckband zu gelangen, war ich erst recht baff. Alles überdimensional, alles überproportional, alles super modern, alles mega. Welcome to China – the new modern!
Ein paar Stunden Aufenthalt in recht kühlen Wartehallen und weiter geht’s nach Chengdu. Weitere drei Stunden Flug, erste chinesische Kost, viel Schlaf.
Am Flughafen angekommen – erster Auftrag Geld abheben. Gar nicht so einfach. Anders als in Russland finden sich hier nicht an jeder Ecke Geldautomaten, die auch noch VISA akzeptieren. Endlich Geld gefunden, Suche nach dem Taxi. Eine Frau quatscht mich auf Englisch an, ich bin zu müde, um mir weiter Gedanken zu machen und akzeptiere einen viel zu überhöhten Fahrtpreis zum Hostel. Mir egal. Kurzes Bereuen im Taxi. Aber zu spät. Ein erster Besuch in China, allein unterwegs, keine Chinesisch-Kenntnisse, viele neue Eindrücke, der Beginn einer ersten Reizüberflutung ließen mir einfach keine Kraft und keine Lust mich um die günstigste Anreise zu bemühen. Was soll‘s.
Aus dem Flughafen heraus. Endlich keine Winterkleidung mehr von Nöten. Kein Schnee mehr. Stattdessen grün, grün, grün, wohin das Auge sieht. Ganz schön tropisch hier! Der Klimawechsel trifft mich wie ein Schlag. Von kalter trockener Luft in ein feucht warmes Klima. Ich spüre regelrecht wie sich kleine Wasserperlen auf meiner Haut bilden. Vierzig Grad Temperaturunterschied machen sich bemerkbar.
Eine mehr als turbulente, alles andere als sichere Taxifahrt später am Hostel angekommen. Ich finde den Eingang nicht. Ein Mann versteht sofort, wo ich hin möchte und nimmt mich quasi an der Hand, führt mich durch eine Gemüsehalle, an der Fleisch(erei)abteilung vorbei, einen nach krummen Geschäften aussehenden Treppenaufstieg hinauf, schließlich zum Hintereingang des Hostels. Seltsamer Eingang, denke ich mir. Das kann doch nicht der Haupteingang sein. Wo bin ich denn hier nur gelandet? Oje, das kann ja was werden….
Im Hostel treffe ich zum Glück auf den ersten Boschi. Doch nicht ganz auf mich allein gestellt. Erleichterung macht sich breit. Erschöpfung allerdings auch. Kaffee rein, Fluppe an, kurz unter die Dusche und ab ins Gemenge. Welcome China!
Der erste Stadtspaziergang führt zu einer vollkommenen Reizüberflutung. Kein Kulturschock, aber doch ein Schock über eine andere Welt: Ein Geräuschgemisch aus einem steten Hupkonzert auf den teils sechsspurigen Fahrbahnen, die sich scheinbar durch das gesamte Stadtzentrum ziehen, und sich laut, gar schreiend unterhaltenden Menschen; Roller, wohin das Auge sieht; Gerüche aus tausend aneinander gereihten Fressbuden und -ständen; mächtige Hochbauten; Menschen en masse. Ein einziges Durcheinander, alles chaotisch, für mich gar archaisch. Eigentlich bin ich nur mit ausweichen beschäftigt. Ich merke, dass es mir bereits nach wenigen Stunden zu viel wird.
Neue Mission – Essen finden. Mein Magen knurrt schon. Ich habe Angst davor. Zu viele Horrorgeschichten gehört. Hier würde ich mir garantiert den Magen verderben. – Bloß vorsichtig sein! – Kein Wasser hier trinken! Das Übliche. Mal sehen, was genau davon eintreten wird.
Mein Boschi Kollege und ich sprechen keinerlei Chinesisch. Nicht so einfach, um zu kommunizieren, was man gerne essen möchte. Aber es geht natürlich noch schwieriger: Mit Körpersprache verständlich machen (ohne sich einen Fauxpas zu leisten und unabsichtlich Beleidigungen zu handfuchteln), dass man vegetarisch essen möchte. Fernab der zentralen Einkaufsmeile finden wir eine Fressmeile voll mit kleinen Büdchen. Das ist für mich China, das habe ich mir vorgestellt. Auf geht’s. Irgendwie wird es schon klappen. Es muss.
Alles sieht lecker aus. Ein einziger Gaumenschmauss, wohin das Auge auch sieht. Einziges Problem: Die Kommunikation. Zum Glück habe ich meinen peta2-Vegetarier-Ausweis immer mit dabei. Ich zeige es dem Verkäufer. Er lacht. Ich bin mir nicht sicher, ob er verstanden hat, was ich ihm damit vermitteln möchte. Immerhin gibt er mir eine Schale mit Nudeln von Chili bedeckt. Das sieht gut aus! Ich bin gespannt. Die Küche in der südlichen Provinz in Sichuan ist bekannt für ihre Schärfe. Das Essen schmeckt. Aber es hätte tatsächlich noch schärfer sein können.
Zusammenfassung 1. Tag: Chengdu erkunden – laufen, laufen, laufen bis die Füße schmerzen. Viel scharfes Essen konsumieren. Endlich wieder kulinarischer Genuss! Zwar vollkommene Geschmacksüberforderung mit vielen neuen, unbekannten Gewürzen, dafür aber eine Vielfalt wie schon lange nicht mehr. Die Stadt ist grün, grüner, am grünsten. Obwohl es am ersten Tag noch recht frisch ist, erkennt man sofort, dass man sich im subtropischen Teil Chinas befindet. Nicht nur die Palmen lassen darauf schließen.
Nichtsdestotrotz vollkommene Reizüberflutung: Viel Straßenverkehr – hunderte von Elektrorollers, die zwischen einem geräuschlos hindurch sausen – bereits gefühlt zehn Tode gestorben – ein Hupenkonzert wie ich es schon seit Jahren nicht mehr im Ausland erlebt habe – tausende von Menschen all überall – ausweichen, aus dem Weg gehen, zehnmal um sich herum gucken, dass man nicht angefahren wird – vollkommene Reizüberflutung – alle Sinne werden herausge- , nein, überfordert – Geräusche, Gerüche, Blingbling – staubige, schmutzige Luft – Hochhäuser, Menschenmassen, Rotzgeräusche. Der erste Tag ist anstrengend. Es ist kein Kulturschock, aber ich muss mich an die andere Lebenswelt definitiv erst noch gewöhnen.
Dazu vollkommene Irritation: Mein Bosch-Kollege empfindet die Stadt als sehr ruhig, nett und angenehm. Was wird mich denn dann in Shanghai und Peking noch erwarten? Ein kurzes Gefühl von Panik durchdringt meine Brust. Die darauffolgende Ignoranz dieser Vorstellung ermöglicht es mir dennoch zu schlafen. Tief und fest. Zu viele neue Eindrücke schlauchen.
Dachterrasse vom Hostel
2. Tag: Raus aus dem Stadtzentrum. Angeblich der drittgrößten Einkaufsmeile Chinas nach Hongkong und Shanghai. Den Eindruck habe ich gestern auch gewonnen. Ein Luxuslabel jagt das nächste in überdimensional großen Gebäuden. China strebt auf. Das Highend ist auch hier eingetroffen. Viele teure Autos, gut gekleidete Chinesen. Meine Vorstellung eines verarmten, rückständigen Entwicklungslandes verpufft im Nu. Der westliche Luxus hat auch hier Einzug gehalten. China hat aufgeholt, gar überholt. Das wird in dieser „Kleinstadt“ bereits gut sichtbar.
Die zweite Boschi ist eingetroffen. Ich mag es, wenn sich vor der Akademie die Gruppe schrittweise vergrößert und danach wieder in kleinen Schritten verkleinert. Ich freue mich sehr sie wiederzusehen – auch ihr erster Eindruck: Eine sehr grüne und ruhige Stadt.
Dennoch gilt es etwas Abstand von der Masse zu nehmen. Raus an den Wuhou Tempel im tibetischen Viertel Chengdus. Auch hier kulinarische Vielfalt wohin das Auge blickt. Ein purer Genuss für den Gaumen. So zum Beispiel der Konsum eines frisch gepressten Birnen-Dragenfrucht-Safts. Ansonsten leider kein sonderlich großer Abstand von den vielen Touristen, denn auch hier befinden wir uns auf einer kleinen Tourimeile. Viele Menschen, viele kleine Stände mit viel zu viel Essen und Souvenirs, die man unbedingt seinen Freunden und Bekannten mitbringen sollte. Ich beschäftige mich zunächst mit kulinarischen Köstlichkeiten und schlage mir den Bauch voll. Für Einkäufe habe ich noch fast drei Wochen Zeit.
Eine ganz andere Atmosphäre herrscht am Wenschu Tempel. Hier fühle ich mich gleich sehr wohl. Viele kleine Cafés und Restaurants mit Sitzmöglichkeiten im Freien. Die Atmosphäre ist gelassen und entspannt. Man unterhält sich, spielt zusammen, freut sich übereinander. Einfach nur zum wohl fühlen. Traditionelle Häuser eingepfercht zwischen vielen neuen Hochbauten bringen einen dennoch kurz zum Schmunzeln.
Auf dem Tempel Areal selbst kann man im Freien jede Menge Grüntee genießen. Rauchen, um Geld spielen und Fleisch essen strengstens VERBOTEN. Hier fühl ich mich wohl, hier bin ich Mensch. Im Tempel das vegetarische Restaurant Lotus. Es gibt ein all you can eat Buffet. Wir schlagen zu. Alles wird probiert. So viele neue Geschmacksrichtungen. Für einen kurzen Moment schwebe ich im Himmel! Am Ende bringt mich der schmerzende Bauch wieder auf den Boden zurück.
Am Abend geht es weiter in die Sichuan-Oper ins berühmt berüchtigte Maskentheater. Darin wechseln die Künstler im Sekundentakt ihre Masken und keiner weiß, wie sie das machen. Ein wahres Spektakel! Eine Stunde vollkommene Beschallung und Vereinnahmung jeglicher Sinne. Es ist laut, bunt, exotisch vielfältig, die Sinne kommen mit dem Verarbeiten der vielen Eindrücke gar nicht mehr hinterher. Am Ende fühle ich mich als wäre ich high. Meine Reize sind mal wieder überflutet.
Grün, grüner, Sichuan!
Man erkennt das subtropische Klima.
Sehr sympathisch!
Vegetarisch speisen im Buddha-Tempel
Scharf, schärfer, Sichuan!
Berühmte Maskenoper
3. Tag: Volles Programm. Jede Minute wird ausgenutzt. 6:30 Uhr aufstehen. Es geht zu den Pandabären. In Chengdu gibt es eine Zuchtstation. Ohne diese wäre das Ende der Spezies Pandabär leider absehbar. Denn so süß die Bärchen auch sind, vermehren wollen sie sich alleine nicht so gerne. Da muss man tatsächlich nachhelfen. Im Schnitt überlebt eine Spezies circa 5 Millionen Jahre. Beeindruckender Weise gibt es Pandabären bereits seit 8 Millionen Jahren. Damit stellen sie eine besonders alte Spezies dar. Es ist schön, dass man sich so sehr um ihr Überleben kümmert, auch wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass dies insbesondere deswegen geschieht, weil sie so putzig und knuffig sind. Ich frage mich, ob man sich mit so viel Energie für eine vom Aussterben bedrohte Spinnenart einsetzen würde… Davon aber einmal abgesehen sind die Pandas wirklich, wirklich süüüüß! Soooo knuffig! Man mag sie am liebsten einfach nur knuddeln 🙂
Obwohl am Nachmittag immer mehr der Boschis im FlipFlop Hostel einkehren und die Gruppe allmählich Form annimmt, beschließen ein Boschi und ich uns doch lieber Richtung Natur zu verkrümeln und raus aus der Stadt zu fahren. Ziel: Das Bambusmeer im Süden. Am Bahnhof angekommen sind wir schon voller Zuversicht und freuen uns auf das kleine Abenteuer. Ohne Chinesisch in eine touristisch kaum erschlossene Region – das kann ja nur aufregend werden! Doch die Dame am Ticketschalter macht uns einen Strich durch die Rechnung. Die Bustickets sind ausverkauft. Das haben wir nicht mitbedacht. Trotz super ausgebauter Infrastruktur und öffentlichen Nahverkehrsmitteln ist das begrenzte Angebot für manche Ziele schnell ausgeschöpft. Eine Information, die uns sehr behilflich gewesen wäre. Tja, Pech gehabt.
Planänderung. Anstelle von Bambusmeer geht es in die nahegelegene Bergregion Emei Shan. Das kann man schon mal machen. Hauptsache noch etwas Natur bevor die Akademie beginnt. Wandern statt spazieren gehen, wieso auch nicht?
Nach einer super stressigen Busfahrt aufgrund eines leicht wahnsinnigen Busfahrers, der jedes entgegenkommende oder nebenher fahrende Fahrgefährt mehrmals anhupen muss, um auf sich aufmerksam zu machen (oder warum auch immer), kommen wir endlich in Emei Shan an. Eine Stadt, die wahrlich auf den Tourismus ausgelegt ist. Ein Hotel nach dem anderen, ein Restaurant neben dem anderen. Wo sind wir nur gelandet?
Immerhin gibt es auch hier viele leckere Essensmöglichkeiten. Am Abend ist es noch so schön warm, dass wir draußen im Freien essen können. Es ist schon sehr lange her, dass ich das zuletzt machen konnte. Ich genieße die vielfältige vegetarische Kost, erfreue mich über den kunterbunten Anblick des Essens, das rund um uns herum zubereitet wird und über das tobende Leben, das sich hier ereignet. Beobachten und auf sich wirken lassen. Einfach nur herrlich.
4. Tag: Der Wecker klingelt um 6.30 Uhr. Mal wieder. Ist das eigentlich noch Urlaub oder schon Arbeit? Ich habe unglaublich schlecht geschlafen. Warum? Meine Zimmernachbarn. Um 4 Uhr geht es los mit Koffer packen, umpacken, was auch immer. In meinem Zimmer wohnt die Hostelangestellte. Zwischenzeitlich liegt sie mit zwei Freundinnen/ Kolleginnen in dem Bett unter mir. Sie gehen in das Zimmer rein, raus, rein, raus, Tür auf, Tür zu, Licht an, Licht aus. Ich werde wahnsinnig!
Mürrisch stehe ich auf und kann nicht glauben, dass ich mit diesem mauen Energietank gleich stundenlang wandern gehen soll. Jetzt schon bin ich total geschlaucht. Unser für 7 Uhr bestelltes Frühstück erhalten wir nicht. Wie auch? Die Hostelangestellte schläft seelenruhig in unserem Zimmer. Ich bin fassungslos, hungrig, schlecht gelaunt.
Egal. Ich reiße mich zusammen. Wir haben uns viel vorgenommen für den heutigen Tag. Mit dem Bus wollen wir zur ersten Gondelstation fahren. Doch einen Bus finden wir nicht. Entgegen der Auskunft, dass regelmäßig Busse zur Station fahren würden, müssen wir auf ein Taxi umsteigen. Ok. Dann eben überteuerte Taxifahrt, wenn’s nicht anders geht.
An der Gondelstation angekommen – der erste Schreck. Dutzende Touribusse parken nehmen einander, Menschenmassen, die ameisengleich umher wuseln. Von wegen Ruhe und Seele baumeln lassen. Ich sehe schon kommen, dass wir uns nebeneinander den Berg hinauf schieben werden. Meine Laune verschlechtert sich mit jeder Minute.
Gondelticket gekauft. Schnell weg von den Menschenmassen. Schnell den Berg hoch! Von wegen. Zweiter Schreck – ein Ticket für die Gondel ist nicht genug. Man braucht auch noch ein Ticket, um überhaupt den Berg betreten zu dürfen. Ich fasse es nicht! Was für eine Touriabzocke! 50 € kostet der Spaß! Unglaublich! Mürrisch geben wir das Geld aus. Wir haben uns auf wandern eingestellt, wir müssen wandern, dafür müssen wir zahlen. Mit Wut energiebeladen bin ich bereit 1000 m hochzuwandern. Es kann losgehen.
Als nicht gerade sportliche Person bin ich überrascht wie gut ich durchhalte. Man kann sich die Wandertour folgendermaßen vorstellen: Treppen steigen, Treppen steigen und noch mehr Treppen steigen. Immer bergauf. Mit wandern hat das nicht mehr viel zu tun. Es ist wirklich anstrengend. Doch die Ausblicke über die Berglandschaft und die Tempel als Zwischenziele sind es wert und versorgen uns mit neuem Elan.
An vielen Stellen ist Vorsicht geboten. Wild lebende Affen. Bereits im Dorf hat man uns vor den gewitzten Affen gewarnt. Bloß alles fest am Rucksack befestigen! Keine Flaschen außen stecken haben. Am besten kein Essen in der Hand haben. Die Affen seien frech und würden alles klauen und gerne auch den Flascheninhalt über einem entleeren! Bisher haben nur ein paar Affenbabys unseren Weg gekreuzt und das immer nur auf den Bäumen mit genügend Sicherheitsabstand. Immer diese Panikmache!
Nach dreieinhalb Stunden sind wir schon völlig aus der Puste. Es geht hoch, höher, am höchsten. Kein Ende in Sicht! Dafür aber eine Zwischenstärkung im Tempel. Viel frisches Gemüse und viel Reis werden für uns zubereitet. Gemeinsam mit einer Wandergruppe junger Chinesen hauen wir uns den Bauch voll und bereiten uns für den weiteren Aufstieg vor.
Die Luft wird bereits dünner. Wir laufen schon durch Wolken. Keinen Ausblick mehr. Es wird kühl. Hier und da sehen wir noch Schnee liegen. Eine mystische Stimmung kommt auf. Ein perfektes Ambiente für jegliche Fantasy-Figuren. Zwischenzeitlich fühle ich mich wie eine Waldelfe und würde gerne abheben.
Das Aufsteigen geht uns immer mehr an die Substanz. Wir reden nur noch wirres Zeug. Wir lachen viel. Es liegt vermutlich am zunehmenden Sauerstoffmangel. Das Hirn arbeitet nur noch eingeschränkt.
Immer wieder werden wir von Wandergruppen überholt, immer wieder holen wir sie ein und überholen sie. Man weiß schon, wann wer langsamer wird und wann wer wieder aufholt. Man kennt sich. Ein Gemeinschaftsgefühl kommt auf. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Unser Gemüt wird von einigen der Gruppenmitglieder unabsichtlich sehr erhellt: Beispielsweise von Frauen, die den Berg erklimmen und einen Rollkoffer hinter sich her ziehen. Oder von Frauen, die im pinken Samtanzug wandern. Oder von Frauen, die auf High Heels den Berg erklimmen. Oder von Mutter und Tochter im Partnerlook. Alles nach dem Motto: Hauptsache geil aussehen! Für Unterhaltung ist damit (unabsichtlich) gesorgt. Für kurze Momente vergessen wir den Schmerz, der sich in unserem ganzen Körper breit macht.
Stufen, Stufen, Stufen. Kein Ende in Sicht. Immer wenn ich denke, es kann nicht noch höher gehen, das muss es nun endlich gewesen sein, werde ich eines besseren belehrt. Es geht höher, höher und noch höher. Ich werde wütend auf den Lonely Planet Autor. Von wegen in vier Stunden kann man auf 2000 m hoch wandern. Der ist den Weg sicher nicht gegangen. Erst nach sieben Stunden erreichen wir unser Ziel. Angekommen. Geschafft. Es fühlt sich gut an!
Belohnung: Die lang ersehnten wilden Affen, die von chinesischen Touristen mit Futter angelockt werden und sich darüber ärgern, wenn sie ihnen ihr Essen stehlen.
Bunt, bunter, Emei Shan!
Am Abend sind wir vollkommen am Ende. Selbst das Essen wird zu einer unüberwindbaren Anstrengung. Gelohnt hat es sich aber alle mal. Wir sind vollkommen fertig, aber es fühlt sich gut an. Endlich mal wieder über die eigenen körperlichen Grenzen hinausgegangen. Erschöpft gehe ich zu Bett. Ich schlafe wie ein Stein.
5. Tag: Heute beginnt unsere Akademie in Pengshan – der eigentliche Grund für meinen China-Aufenthalt. Nach Auskunft der Hostelmitarbeiter alles kein Problem. Mit dem Zug einfach direkt nach Pengshan fahren. Ganz entspannt. Alles klar. Dann packe ich mal noch in Ruhe meine sieben Sachen.
Von wegen. Zugtickets ausverkauft. Mal wieder. Was nun? Mit dem Bus. Es gibt keine direkte Verbindung. Also ab nach Meishan, wo auch immer das sein mag. Nach einer (wenig überraschend) weiteren turbulenten stressigen Busfahrt bei fast 30 Grad endlich in Meishan angelangt. Ticket für Pengshan gekauft. Abfahrt 18:50 Uhr. Mist! Das passt auf keinen Fall. Die Akademie beginnt um 19 Uhr. Muss denn eigentlich alles schief gehen, was nur schief gehen kann? Und erhält man in diesem Land immer falsche bzw. unvollständige Auskunft? Denkt denn keiner mit? Ich habe mal wieder ein kurzes Tief. Ab ins Taxi und weiter geht’s. Viel zu viel Geld verballern. So läuft das scheinbar hier.
Endlich angekommen. 45 Boschis wieder vereint. Hallo, hallo, hallo! So viele Begrüßungen! Aus der ruhigen Natur ab ins Gemenge. Die Akademie kann beginnen! Ich bin bereit.
Und zum Ende noch ein Einblick in die kulinarische Verkostung in Sichuan…